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Impulse #8

In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor wird, steht die Kommunikation von Umweltversprechen vor einem grundlegenden Wandel. Die Green Claims Directive der Europäischen Union markiert einen Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitskommunikation und stellt Unternehmen wie Agenturen vor neue Herausforderungen. Was bedeutet diese Regulierung konkret für Ihre Marketingstrategie? Welche Risiken entstehen und welche Chancen eröffnen sich? Dieser CSC Impulse gibt Ihnen einen praxisorientierten Überblick und konkrete Handlungsempfehlungen für eine rechtssichere und wirkungsvolle Nachhaltigkeitskommunikation.

Die Green Claims Directive: Ein Überblick

Die Green Claims Directive (GCD) ist Teil des European Green Deal und zielt darauf ab, irreführende Umweltaussagen in der Produktkommunikation zu unterbinden. Im Kern geht es darum, dass Nachhaltigkeitsversprechen künftig durch wissenschaftlich anerkannte Methoden belegt werden müssen, bevor sie in der Kommunikation eingesetzt werden dürfen.

Die Richtlinie reagiert auf eine besorgniserregende Entwicklung: Laut einer Studie der Europäischen Kommission sind mehr als 50 % der Umweltaussagen in der EU vage, irreführend oder unbegründet. Etwa 40 % der Behauptungen werden gar nicht oder nur unzureichend belegt. Dieses als „Greenwashing“ bekannte Phänomen untergräbt nicht nur das Vertrauen der Verbraucher, sondern benachteiligt auch Unternehmen, die in Nachhaltigkeit investieren.

Die wichtigsten Regelungsinhalte der GCD umfassen:

  • Verpflichtende Nachweise: Umweltaussagen müssen vor ihrer Verwendung durch anerkannte wissenschaftliche Methoden belegt werden.
  • Verbot vager Formulierungen: Unspezifische Begriffe wie „umweltfreundlich“, „grün“ oder „nachhaltig“ ohne konkrete Belege werden untersagt.
  • Standardisierte Bewertungsmethoden: Die Richtlinie sieht einheitliche Methoden zur Bewertung von Umweltauswirkungen vor.

Die Richtlinie wird voraussichtlich 2025 in nationales Recht umgesetzt und etwa 12 Monate später vollständig in Kraft treten. Der finale Zeitplan hängt vom Abschluss des EU-Gesetzgebungsverfahrens ab. Für Unternehmen bedeutet das: Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

Detaillierte Mindestanforderungen der GCD

Die Green Claims Directive stellt in Artikel 3 klare Mindestanforderungen an die Begründung von Umweltaussagen:

1. Wissenschaftliche Grundlage und aktueller Stand der Technik

Umweltaussagen müssen sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und den neuesten Stand der Technik stützen. Die Begründung soll stets auf Basis der Anwendung wissenschaftlicher Methoden erfolgen.

2. Relevanz der Aussagen

Es muss klar festgestellt werden, ob sich eine Aussage auf das gesamte Produkt, einen Teil davon oder nur bestimmte Aspekte bezieht. Die Relevanz jeder Umweltaussage muss im Zusammenhang mit einer umfassenden ökologischen Bewertung des gesamten Lebenszyklus des Produkts oder der Dienstleistung nachvollziehbar begründet werden.

3. Ganzheitliche Betrachtung

Die Richtlinie fordert eine Überprüfung, ob positive Entwicklungen in einem Umweltbereich möglicherweise zu einer erheblichen Verschlechterung anderer Umweltauswirkungen führen. Diese Gesamtbetrachtung soll Verlagerungseffekte verhindern.

4. Transparenz bei Kompensationen

Über Kompensationen von Treibhausgasen muss transparent Bericht erstattet werden. Klimabezogene Angaben, die sich auf Kompensation beziehen, müssen getrennt von den sonstigen Treibhausgasemissionen ausgewiesen werden.

5. Genaue Informationen

Die Bewertung muss genaue Primär- oder Sekundärinformationen enthalten. Wo immer möglich, soll sich die Begründung auf Primärdaten stützen, um höchste Genauigkeit zu gewährleisten.

6. Nachweis über gesetzliche Anforderungen hinaus

Umweltaussagen müssen über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, die für Produkte innerhalb der Produktgruppe oder für Gewerbetreibende in dem Sektor ohnehin gelten.

Auswirkungen auf die Marketingpraxis

Die Green Claims Directive wird die Nachhaltigkeitskommunikation grundlegend verändern. Besonders betroffen sind folgende Bereiche:

1. Produktkommunikation

Produktbezogene Umweltaussagen müssen künftig wissenschaftlich fundiert sein. Dies betrifft nicht nur offensichtliche Claims wie „CO₂-neutral“, sondern auch subtilere Botschaften, die eine Umweltfreundlichkeit suggerieren.

Praxisbeispiel: Ein Hersteller von Reinigungsmitteln, der sein Produkt als „natürlich“ bezeichnet, muss künftig nachweisen können, dass alle Inhaltsstoffe tatsächlich natürlichen Ursprungs sind und welche Umweltauswirkungen sie haben.

2. Visuelle Kommunikation

Nicht nur textliche Aussagen, sondern auch visuelle Elemente fallen unter die Richtlinie. Naturbilder, grüne Farbgebung oder Symbole, die Umweltfreundlichkeit suggerieren, müssen durch die tatsächlichen Produkteigenschaften gerechtfertigt sein.

Praxisbeispiel: Die Abbildung eines grünen Blattes auf einer Verpackung, wird als implizites Umweltversprechen gewertet und muss durch entsprechende Nachhaltigkeitsmerkmale des Produkts belegt sein.

3. Unternehmenskommunikation

Auch unternehmensweite Nachhaltigkeitsversprechen werden strenger reguliert. Corporate-Kampagnen mit Umweltbezug müssen auf belegbaren Fakten basieren.

Praxisbeispiel: Eine Unternehmenskampagne mit dem Claim „Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ muss durch einen konkreten, messbaren Transformationspfad untermauert sein.

4. Umweltzeichen und Zertifizierungen

Die Richtlinie legt in Artikel 7 besondere Anforderungen an Umweltzeichen fest. Diese müssen die allgemeinen Anforderungen der GCD erfüllen und einer Überprüfung gemäß Artikel 11 unterliegen. Private und öffentliche Umweltzeichensysteme müssen Transparenzanforderungen hinsichtlich Eigentumsverhältnissen, Entscheidungsgremium und Zielen erfüllen und klare Kriterien für die Vergabe und Entwicklung von Zeichen festlegen.

Das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurde, wird künftig untersagt sein.

5. Konformitätsbewertung und Zertifizierung

Eine wesentliche Neuerung der GCD (Artikel 10 & 11) ist die Pflicht zur Vorabprüfung: Umweltaussagen und Umweltzeichen müssen vor der kommerziellen Nutzung durch Dritte überprüft und mittels einer Konformitätsbewertung zertifiziert werden. Diese Ex-ante-Prüfung soll durch eine amtlich akkreditierte „Prüfstelle“ durchgeführt werden, was einen erheblichen Mehraufwand für Unternehmen bedeutet aber auch für mehr Glaubwürdigkeit sorgt.
Die Anforderungen an die Akkreditierung der Prüfstellen werden derzeit noch auf EU-Ebene konkretisiert.

Regulatorischer Kontext: UWG und Empowering Consumers Directive

Die Green Claims Directive steht nicht isoliert, sondern ergänzt bestehende Regelungen:

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Das deutsche UWG verbietet bereits heute irreführende geschäftliche Handlungen, einschließlich irreführender Werbung. Insbesondere § 5 UWG (Irreführung durch aktive Täuschung) und § 5a UWG (Irreführung durch Unterlassen wesentlicher Informationen) sind für Nachhaltigkeitsaussagen relevant. Die Rechtsprechung stellt schon jetzt strenge Anforderungen an die Werbung mit Umweltaussagen und verlangt weitergehende Aufklärungspflichten. Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ sind stark aufklärungsbedürftig

Empowering Consumers for the Green Transition Directive (EmpCo-RL)

Diese bereits in Kraft getretene EU-Richtlinie zielt ebenfalls darauf ab, Greenwashing zu verhindern. Sie verbietet unter anderem das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln ohne Zertifizierungssystem sowie allgemeine Umweltaussagen ohne nachgewiesene hervorragende Umweltleistung. Die Mitgliedstaaten müssen die Änderungen der EmpCo-Richtlinie bis zum 27. März 2026 in nationales Recht umsetzen und ab dem 27. September 2026 anwenden. Die GCD wird diese Regelungen weiter verschärfen und ergänzen.

Do’s and Don’ts der Nachhaltigkeitskommunikation

Wie können Sie Ihre Marketingkommunikation anpassen, um den Anforderungen der Green Claims Directive gerecht zu werden? Hier kommen konkrete Handlungsempfehlungen:

Do’s: So gelingt rechtssichere Nachhaltigkeitskommunikation

1. Spezifische, belegbare Claims verwenden

Formulieren Sie konkrete, messbare Aussagen statt vager Behauptungen. „Unser Produkt enthält 30 % recyceltes Material“ ist besser als „umweltfreundliches Produkt“.

2. Aussagen wissenschaftlich belegen

Etablieren Sie einen strukturierten Prozess zur Validierung aller Umweltaussagen. Arbeiten Sie mit anerkannten Methoden wie Ökobilanzen (Life Cycle Assessments) oder Product Environmental Footprints (PEF).

3. Transparenz schaffen

Machen Sie die Grundlagen Ihrer Umweltaussagen transparent. Veröffentlichen Sie relevante Daten und Methoden, idealerweise mit Verweis auf unabhängige Prüfungen.

4. Relativierungen vermeiden

Stellen Sie sicher, dass Ihre Kommunikation nicht suggeriert, ein Produkt sei insgesamt umweltfreundlich, wenn nur einzelne Aspekte verbessert wurden.

5. Integrierte Prozesse aufbauen

Etablieren Sie einen abteilungsübergreifenden Freigabeprozess für Nachhaltigkeitsclaims, der Marketing, Rechtsabteilung und Nachhaltigkeitsexperten einbezieht.

6. Anerkannte Zertifizierungen nutzen

Setzen Sie auf wissenschaftlich fundierte und anerkannte Zertifizierungen statt auf selbst entwickelte oder nicht anerkannte Umweltsiegel.

Don’ts: Diese Fehler sollten Sie vermeiden

1. Vage Begriffe ohne Kontext

Vermeiden Sie die isolierte Verwendung von Begriffen wie „grün“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ ohne spezifische Belege.

2. Irreführende visuelle Elemente

Verzichten Sie auf Naturbilder, eine grüne Farbgebung oder Umweltsymbole, wenn diese nicht durch die tatsächlichen Produkteigenschaften gerechtfertigt sind.

3. Übertriebene Behauptungen

Stellen Sie keine Umweltvorteile heraus, die im Vergleich zu den Gesamtauswirkungen des Produkts vernachlässigbar sind.

4. Unklare Vergleiche

Vermeiden Sie Vergleichsaussagen wie „umweltfreundlicher“ oder „nachhaltiger“, ohne den Vergleichsgegenstand und die Vergleichsbasis klar zu benennen.

5. Nicht verifizierte Zertifikate

Verwenden Sie keine selbst entwickelten oder nicht anerkannten Umweltsiegel, die den Eindruck einer unabhängigen Zertifizierung erwecken.

6. Klimaneutralitätsversprechen auf Basis von Kompensationen

Aussagen, die sich auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen beziehen und ein Produkt als klimaneutral oder mit reduziertem CO2-Fußabdruck bewerben, sind unter der GCD verboten, wenn sie auf Kompensationen außerhalb der Wertschöpfungskette basieren.

Chancen für eine authentische Nachhaltigkeitskommunikation

Die Green Claims Directive sollte nicht nur als regulatorische Hürde, sondern auch als Chance begriffen werden. Sie bietet die Möglichkeit, Nachhaltigkeitskommunikation neu zu denken und authentischer zu gestalten.

1. Differenzierung durch Substanz

In einem Markt, in dem oberflächliche Umweltversprechen nicht mehr möglich sind, können sich Unternehmen mit substanziellen Nachhaltigkeitsleistungen deutlicher differenzieren. Die Richtlinie schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen, von denen besonders die Unternehmen profitieren, die tatsächlich in Nachhaltigkeit investieren.

2. Vertrauensbildung durch Transparenz

Transparente Kommunikation über Umweltauswirkungen schafft Vertrauen. Unternehmen können dies nutzen, um tiefere Kundenbeziehungen aufzubauen und ihre Marke zu stärken.

3. Innovation durch Fokus auf echte Verbesserungen

Wenn Greenwashing keine Option mehr ist, verschiebt sich der Fokus auf tatsächliche Produktverbesserungen. Dies kann Innovationsprozesse beschleunigen und zu nachhaltigeren Produkten führen.

4. Strategische Neuausrichtung der Kommunikation

Die Richtlinie bietet Anlass, die gesamte Nachhaltigkeitskommunikation strategisch neu auszurichten. Statt isolierter Claims können Unternehmen ganzheitliche Nachhaltigkeitsnarrative entwickeln, die auf belegbaren Fakten basieren.

Praktische Schritte zur Vorbereitung

Wie können Sie Ihr Unternehmen konkret auf die Green Claims Directive vorbereiten? Hier ist ein strukturierter Ansatz:

1. Bestandsaufnahme durchführen

Analysieren Sie systematisch alle aktuellen Nachhaltigkeitsaussagen in Ihrer Marketingkommunikation. Prüfen Sie, welche Claims bereits ausreichend belegt sind und wo Handlungsbedarf besteht.

2. Validierungsprozesse etablieren

Entwickeln Sie einen strukturierten Prozess zur wissenschaftlichen Validierung von Umweltaussagen. Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten und Freigabewege.

3. Teams schulen

Sensibilisieren Sie Marketing- und Kommunikationsteams für die neuen Anforderungen. Vermitteln Sie ein grundlegendes Verständnis für wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitskommunikation.

4. Dokumentationssystem aufbauen

Etablieren Sie ein System zur lückenlosen Dokumentation aller Belege für Umweltaussagen. Dies ist nicht nur für die Compliance wichtig, sondern auch für die schnelle Reaktion bei möglichen Anfragen oder Prüfungen.

5. Konformitätsbewertung vorbereiten

Bereiten Sie sich auf die künftig erforderliche Ex-ante-Prüfung durch akkreditierte Prüfstellen vor. Identifizieren Sie potenzielle Prüfstellen und klären Sie die Anforderungen an die Konformitätsbewertung.

6. Kommunikationsstrategie anpassen

Überarbeiten Sie Ihre Nachhaltigkeitskommunikation mit Fokus auf spezifische, belegbare Aussagen. Entwickeln Sie neue kreative Ansätze, die ohne vage Umweltversprechen auskommen.

Fazit: Die Zukunft gehört authentischer Nachhaltigkeitskommunikation

Die Green Claims Directive markiert einen Wendepunkt in der Nachhaltigkeitskommunikation. Sie fordert von Unternehmen und Agenturen ein grundlegendes Umdenken – weg von vagen Umweltversprechen, hin zu belegbaren, spezifischen Aussagen. Dies mag zunächst als Einschränkung erscheinen, bietet aber die Chance, Nachhaltigkeitskommunikation authentischer und wirkungsvoller zu gestalten.

Unternehmen, die jetzt handeln und ihre Kommunikation anpassen, können nicht nur regulatorische Risiken minimieren, sondern auch Wettbewerbsvorteile erzielen. Die Zukunft gehört einer Nachhaltigkeitskommunikation, die auf Substanz statt auf Schein setzt – und genau das ist das Ziel der Green Claims Directive.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Nutzen Sie die verbleibenden Monate bis zum Inkrafttreten der Richtlinie, um Ihre Nachhaltigkeitskommunikation auf ein neues Niveau zu heben – faktenbasiert, transparent und wirkungsvoll.

Möchten Sie mehr über wirkungsvolle Nachhaltigkeitskommunikation erfahren? Ich freue mich auf Ihr Feedback und stehe für einen Austausch gerne zur Verfügung.

Marcel Steybe

Dino Borsellino
Geschäftsleitung | Prokurist | Nachhaltigkeitsbeauftragter

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